Donnerstag, 23. April 2009

Klein Sray und die Queerness


[(c) 2009 by Sray /SR]

Ich denke, schwul war ich eigentlich schon, seit ich denken kann. Denn ich kann mich nie daran erinnern, dass sich jemals was in meiner Hose getan hat, als ich an eine Frau dachte. Und als ganz kleines Kind schon fand ich im Fernsehen Männer im Anzug...äh...interessant. *gg*
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Natürlich konnte ich das, was mit mir los war, nie benennen, weil ich nicht wusste, was es war, und, ob es nur bei mir so war. Ich dachte echt, dass sei etwas merkwürdig Einmaliges, was nur in mir drin ist. Bis ich dann gelernt habe, dass man dieses Phänomen Homosexualität tauft, ergab die ganze Sache nun Sinn. Und dass das bei etwas mehr Leuten der Fall ist, erfuhr ich dann auch.
Zwischen der 3. und 4.Klasse jedoch bildete ich mir ein, ganz normal heterosexuell zu sein, irgendwann aber...so im Alter von 11 Jahren, merkte ich, dass ich eigentlich nur die ganze Zeit asexuell war und dass ich tatsächlich Jungs gut finde. Und ab da war ich mir dann wirklich sicher.
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Anschließend hielt ich, bis ich 16 war, diesen Teil meiner Identität unter Verschluss. Was aber zu der Zeit passte, weil ich einfach noch recht introvertiert war. Das lag einfach daran, dass ich niemanden hatte, dem ich so vertrauen konnte, dass ich ihm oder ihr sogar mein Schwulsein anvertrauen konnte. Außerdem hielt ich die Gesellschaft für ausschließlich hetero-fixiert und homophob, was sie aber eigentlich nicht war. Denn mein Umfeld war die Provinz. Kreuzwertheim ist ein 4.000er-Dorf in Unterfranken, Wertheim, mein Schulort, ist eine Kleinstadt, in der vornehmlich schwarz gewählt wird. Der Faktor Angst halt.
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Dann nahm ich den ganzen Mut zusammen. Wie bereits in jenem Blogeintrag angerissen (link!), outete ich mich das allererste Mal während der Klassenaustauschsfahrt nach Gubbio, Italien. Ich erzählte meiner sehr guten Freundin Steffi die ganze Chose. Ich bat sie um ihr Handy (ich weiß es noch ganz genau, es war ein Nokia 3210). Ich sagte, dass ich ihr etwas sehr Wichtiges erzählen wollte, was ich sonst noch niemandem gesagt hatte. Ich versuchte, mit zittrigen Händen "ich bin schwul" in das SMS-Fenster einzutippen. Ich übergab ihr ihr Handy, sie schaute auf das Display, riss die Augen auf und sagte: "Echt jetzt?!" Sie hätte es nicht für möglich gehalten. Sie sollte mir dann versprechen, es niemandem weiterzuerzählen.
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Dann erzählte ich es, ich nenne ihn jetzt mal so, Möbius. Es war auch noch die Zeit in Gubbio, mein zweites Outing. Möbius heißt natürlich keiner in meinem Freundeskreis und so wurde er auch nie genannt. Aber zu seinem Schutze gibt es bei ihm jetzt diese Namensveränderung.
Möbius fühlte sich sehr geehrt, dies von mir gesagt zu bekommen. Er wurde nach dem Geständnis, wieder nach dem Versprechen, es keiner Sau zu sagen, und nach vielen weiteren intimen Gesprächen in diesem Fall zu meinem ersten besten Freund. Und später leider auch zum Opfer meiner Verknalltheit. Eine einmalige Sache natürlich.
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Und so ging das dann weiter. Ich fand einen oder eine, dem oder der ich mein Herz ausschütten konnte. Der sollte dann noch dieses Geheimnis wie immer bewahren. Das Selbstbewusstsein stieg an. Dann fand ich eine weitere Person, die mir nett vorkam, schüttete ihr das Herz aus, und so weiter und so fort. Durch jedes Geständnis wurde ich tatsächlich ein Stück selbstsicherer. Weil die allermeisten Personen damit kein Problem hatten. Höchstens die Superchristen in der Klassenstufe. So wussten viele einzelne Menschen, aber nicht alle untereinander Bescheid. Sie ahnten es höchstens.
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Die Wende kam dann, als ich es jemanden erzählte, von dem ich eigentlich genau wusste, dass die Person es weitererzählen würde. Dies traf dann auch so ein bei dem Alpha-Männchen in der Klasse.
In der Klasse war ich ab sofort ein großes Thema. Dieses Rampenlicht war mir zwar erst unangenehm, aber immerhin hatte ich schon etwas mehr Selbstsicherheit in mir als früher.
Letztendlich hatten die meisten keine Probleme mit meiner sexuellen Orientierung, auch sicherlich nicht die, die darüber Witze machten. Aber die Witze, die oft vom Alpha-Männchen stammten, waren, wenn ich heute daran zurückdenke, nie so richtig hasserfüllt. Höchstens feindselig. Aber halt auch nie so in einer friedfertigen Art und Weise, dass man mir dann auf die Schulter klopfen und dann ausrufen würde:
"Ach komm, war doch nur Spaß."
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Ich kann mich aber nicht erinnern, jemals nach "Ich bin übrigens schwul" gehört zu haben: "Ja, ich auch!" Sondern nur: "Ich bin lesbisch."
So waren es aber bei Karo aka Wolta, durch die ich Oli H. / Horschdä kennenlernte, bei dem ich mich wiederum nicht extra outen musste. Sie waren als Einzige in der Klassenstufe auch queer und sind es heute noch. Und auch spätestens gegen Ende der Schulzeit waren sie geoutet.
So hatte ich Leute gehabt, mit denen man sich gegenseitig austauschen und über Sachen diesbezüglich reden konnte, weil sie eben Ähnliches durchmachten. Zum Beispiel, wer in der Schule queer sein könnte, da es nicht wenige Leute gab, die sich "auffällig" verhalten hatten. Und wir hatten oft eigene Begriffe und Codes für bestimmte Sachen. u.a. gab es für "Homosexualität" die eigens kreierte Abkürzung "HS" (Das habe ich lustigerweise auch schon aus anderen Mündern mit derselben Bedeutung gehört, anscheinend doch nicht so eigens!) und "GV" war ...eine bestimmte Art von Verkehr. *gg*
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Gay-Erfahrungen habe ich dann aber im Alter von 16 Jahren das erste Mal gemacht. In dem Alter gab es den ersten Kuss. Und "mehr". Erfahrungen mit und in einer Beziehung hat es bis heute aber nicht gegeben.
Als ich dann 18 wurde, konnte ich auf eigener Faust aus der gayclublosen (<- Cool, ich bin der Einzige, der bisher dieses Wort benutzt hatte! :) ) Provinz raus und mit dem Auto dann mal in die nächste Großstadt fahren: nach Würzburg, das meine spätere Uni-Stadt werden sollte. -------------------------------------------------------------------------------------------------

Noch angenehmer wurde es ab der Studienzeit, wo ich mich dann sowieso in einer wenigen einzwängenden Big City befand. Im ersten Monat meines Studiums wusste es natürlich keiner von meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen, außer die, die mit mir Abi gemacht haben. Weil die neuen Leute mich gerade erst kennengelernt hatten. Aber auch hier wussten es nach und nach fast alle, manche kamen von selbst darauf.
Und die schwulen Kommilitonen habe ich dann entweder über Freunde oder Freunde von Freunden, die ich schon vor Studienbeginn kannte, kennengelernt oder durch die vielbevölkerte Gay-Community Planetromeo (link!). Oder, viel seltener, per Zufall.
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Nun ja, meinen Eltern habe ich es bis heute immer noch nicht erzählt. Aber sie ahnen oder wissen es sicherlich. Das Outing bei ihnen kommt bald noch. Ansonsten habe ich aber den meisten Menschen in meinem Umfeld diese Sache erzählt. Manchmal sage ich: "Ach, die Frau da sieht doch heiß aus, oder?" Ich kokettiere sogar manchmal damit, angeblich bisexuell zu sein!
Ich habe so ziemlich keine Probleme mehr mit dem Gestehen, meinetwegen können die Empfänger meines Geständnisses es jedem x-beliebigen Menschen weitererzählen.
Passend dazu dürfen mal Oasis jetzt singen...

"I'm free to be whatever I
Whatever I choose
And I'll sing the blues if I want
I'm free to say whatever I
Whatever I like
If it's wrong or right it's alright"

("Whatever")
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