Kurz nach dem Auszug aus der WÜ-Altstadt-WG traf ich mich nach langer Zeit wieder mit Karo aka Wolta, was eine willkommene Ausflucht aus der Kreuzwertheim-/Wertheim-Ödnis war. 2. Oktober und 3. Oktober 2010.
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Nochmal zur Klärung der nicht einfach auseinanderzuhaltenden Provinzscheiße: Das Großkaff Kreuzwertheim (ca. 4000 EinwohnerInnen) ist der Ort, in dem ich einst 20 Jahre lang bei meinen Eltern wohnte und nun aus weniger freiwilligen Gründen wieder wohne. Dort ging ich auch vier Jahre lang zur Grundschule.
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Die Kleinstadt Wertheim (über 25000 EinwohnerInnen) hingegen ist mein Geburtsort und der Ort, in dem ich von der 5. Klasse bis zur 13. Klasse aufs Gymnasium (ein humanistisches, naturwissenschaftliches, alt- und neusprachliches) ging. Und Wertheim ist nicht gleich Wertheim Village, denn das „bei uns“ auch FOC (Factory Outlet Center) genannte künstliche Psuedo-Schnäppchen-Dörfchen für Mittel-/Oberschicht-Portemonnaie-Besitzer ist ca. 10km vom eigentlichen Stadtkern entfernt. Es kommt sehr häufig vor, dass wenn ich preisgeben soll, woher ich komme, den unwissenden Menschen beim Stichwort Wertheim sofort Wertheim Village einfällt: „Ah, Wertheim Village!“ Nicht ganz, ihr Leute, muss ich da immer weiter ausführen.
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In Wertheim fand heuer seit dem 1. Oktober 2010 wie an jedem ersten Oktoberwochenende die sogenannte Michaelismesse statt: die Hauptattraktion der Provinz in Sachen Volksfest, vergleichbar mit der Würzburger Kilianimesse oder der Marktheidenfelder Laurenzimesse. Als Jugendlicher war es DER Kick, sich dort zu besaufen und Spaß zu haben. Als Kind war natürlich nur letzteres der Fall, gerade durch die vielen Stände, Spaßbuden und Attraktionen wie Riesenrad, Karussell oder Krake. Den Autoscooter-Bereich fand ich hingegen lange Zeit blöd. Als Fast-Erwachsener – „not a boy, not yet a man“ – hat diese Kirmes jedoch fast jeglichen Reiz verloren.
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Nun war es so, dass Karo dieses Jahr beim sogenannten Messelauf mitmachen wollte. Bei diesem nahm ich auch einst 2006 mit ihr teil. Ich kann mich gut noch an den prasselndem Regen und meinen dadurch zerstörten Haarwachs-Seitenscheitel erinnern. Dadurch tropfte die Wachs-Wassermischung tränenartig herunter und kam gar in meine Augen, wodurch ich am restlichen Tag nur noch glasig gucken konnte, haha! Barock- oder Rokoko-Kleider als Frau oder Knickerbocker und/oder Wrack als Mann sollten da vorgeführt werden. Es gibt eine bestimmte Route, die durch den Messeplatz und die Wertheimer Altstadt führt und als Mann-Weib-Gespann (je zwei Menschen hintereinander) sollte man mehrere Stunden die Strecke durchschreiten. Weil ich dieses Jahr wegen des WG-Auszugs keine Zeit hatte, konnte ich nicht teilnehmen, Karo hingegen erklärte sich bereit. Denn der Initiator des Messelaufs war unser ehemaliger Deutsch- und Geschichte-Lehrer, der gleichzeitig jahrelang die Theater-AG leitete und ihr großen Ruhm und Ansehen brachte. Durch den großen Theaterfundus voller Kostüme und Accessoires kam auch die Idee mit dem Messelauf.
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Ich konnte aus Zeitgründen den Lauf nicht mitverfolgen, konnte mich aber am frühen Abend mit Karo auf der Messe verabreden. Wir haben uns riesig gefreut, uns nach langer Zeit wiederzusehen. Karo war jedoch ein klein wenig mitgenommen von der Belastung durch den Messelauf. Sie wollte sich irgendwo mal für länger hinsetzen. Deshalb beschlossen wir, wenig später den Messelauf-Initiator zu besuchen, der sehr nah am Messe-Spektakel wohnt.
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Dieser überaus gastfreundliche, selbstbewusste und eloquente Mann mit Wohlstandsbauch, der sich auch jahrelang für die Kommunalpolitik eingesetzt hatte, empfing uns und lud uns sogleich gar zum Abendessen ein. Nach einem Plaudern gab es überaus köstlich gebratene Champignons, Tomaten und Zwiebeln. Dazu getoastete Brotscheiben und Bier. Wir waren ob der Einfachheit und gleichzeitigen Köstlichkeit begeistert! Dazu gab es Anekdoten vom Gastgeber, sowie ein paar Themen, bei denen ich nicht wirklich mitreden konnte, weil es da um mir unbekannte Personen ging, die Karo jedoch kannte.
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Nach der Tagesschau verließen wir das Haus, in dem Karo das Wochenende über übernachten durfte, weil sie ja mitlief und ihre Eltern beide längst aus Wertheim weggezogen waren. Wir suchten dann auf der Messe Babs. Babs hat mit Karo und mir Abi gemacht. Babs' Eltern wohnen auch in Kreuzwertheim und als wir 15 und 16 waren, haben wir mit noch anderen viel gemeinsam unternommen, u.a. Zelten am Ammersee. Babs konnte mit jedem, kann/konnte genauso gut mit den LAN-Party-Nerds wie mit den Alternativen und Punks oder den beliebten Mädels (≠ Tussis unserer Klassenstufe). Und auch mit eher außen gestandenen Freaks wie mit Karo und mit mir, die wir damals zum Teil schon waren. Babs war immer so eine, die von allen gemocht wurde, weil sie immer vertrauensvoll und integer war, egal, mit wem sie es zu tun hatte. Als wir sie fanden, suchten wir nach dem Weinzelt, dass in den letzten Jahren immer eine angenehme Alternative zum überladenen stumpfen Bierzelt darstellte. Wir liefen herum und suchten und suchten, doch am ehemaligen Standort war nichts davon zu finden.
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Anscheinend existierte das kleine Weinzelt nicht mehr, es wurde wohl in das Bierzelt (eher: Bierhalle, für Wertheimer: Main-Tauber-Halle) integriert. Also gingen wir dort rein. Was zu erwarten war: voll, kaum freie Bänke, schreckliche Volks-Blasmusik, ein Gewusel, laut. Wenn man seine eigenen Erwartungen an sowas so niedrig wie möglich herunterschrauben kann, wenn man von Haus aus Dorftrottel, Antenne-Bayern-HörerIn, jugendlicher Macho oder Trash-Girl ist, oder einfach schon vollgetankt, kann dort im Zelt sicherlich Spaß haben. Leute wie Karo, Babs und ich jedoch...eher nicht, auch wenn wir alle keine überheblichen Menschen sind. Nach einem Federweißer für jeden verließen wir auch schon wieder die sonderbare rustikale Szenerie.
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Zuflucht suchten wir dann zunächst am Gebratene-Mandeln-Stand, später im Bistro Ionis, die sich gerne In-Bar schimpft und nicht allzu spelunkig, aber auch nicht allzu versnobt herüberkommt. Karo, Oli/Horschdä und ich waren zu Schulzeiten oft hier, bei Babs war es wohl auch nicht anders.
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Dort fanden wir auch zum Glück angenehmere Plätze als noch im vollen Bierzelt. Einzig die House-Musik war sehr penetrant laut und die halbstarken Kids darin, die natürlich nur bis 12 dort bleiben durften, waren auch erschreckend in der Überzahl im Ionis. Weil ich sonst selten Gelegenheiten (wegen Geld, Begleitpersonen, etc.) habe, irgendwelche Sachen in Bars zu bestellen, nahm ich erst einen Whisky, den 12 Jahre alten Chivas Regal (erstaunlich untrüb) und dann einen Melon Sour, der atemberaubend gut schmeckt. Babs bestellte sich u.a. einmal einen Cosmopolitan, Karo Bier und einen Martini d'Oro. Betrunkenheitsskala: 3 von 10.
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Der Sonntag mit Karo am Tag der Deutschen Einheit und ohne Alkohol diesmal war noch schöner, weil ich nach all dem Umzugsstress den Tag frei hatte und ihr diesen voll und ganz widmen konnte. Außerdem war es frühsommerlich warm und dadurch eine geile Zeit. Ich beschränke mich beim Sonntag in meiner Ausführung mal auf das Wesentliche, weil der Tag entspannter. Wir waren zunächst so gegen Mittag im Da Barista, dem besten Café Wertheims, wo wir Kaffee tranken. Anschließend schlenderten wir durch die Stadt. Karo sah Wertheim durch die Rückkehr nach drei Jahren mit ganz anderen Augen. Vom ungeliebten Wertheim zur faszinierenden Stadt mit jüdischer Tradition, wodurch sie manchen Stationen fast wie eine Touristin begegnete. Am Nachmittag aßen wir dann zu Mittag. Wir aßen Pommes rot/weiß, den Klassiker, den es in einer Dönerbude im Angebot gab. Wir machten dann noch einen kurzen Abstecher in die Michaelismesse, aber dort blieben wir nicht lange. Wir saßen mal auf einer Bank am Tauber-Ufer oder mal vor einem Brunnen und unterhielten uns über alles Mögliche, z.B. über die zu der Zeit noch frische Trennung von Su. Am frühen Abend brachte ich sie dann zum Bahnhof und versprach ihr, sie in der kommenden Woche mal in Frankfurt zu besuchen...
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