Mittwoch, 7. Oktober 2009

PoeticPosthalle (Poetry Slam in WÜ am 4.Oktober 2009)



Nach der obligatorischen Sommerpause und nach einem Male Aussetzen von mir (letzter Termin: 6.September 2009) ging es mit "Herrn Leo" endlich wieder in die Würzburger Posthalle (link!) zum sonst monatlich stattfindenden Poetry Slam (akkurate deutsche Bezeichnung: Dichterwettstreit).

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In den letzten zwei Posts über die Würzburger Poetry-Slam-Events, die der Moderator Christian Ritter (ist außerdem selbst Slammer, Student und Buchautor, link!) immer organisiert, hatte ich über das dort Erlebte in Gedichtform geschrieben. Diesmal habe ich nicht den Ehrgeiz dafür und schreibe ganz normaaaaal. Das mit dem nachempfundenen "poetic style" kam - wie ich über Feedback erfahren hatte - sowieso nicht gut an. Sorry, guys!

Für alle, die mit dem Begriff des Poetry Slams NICHT vertraut sind:

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Wie der Poetry Slam nochmal funktioniert:

Wortgewandte Leute treten in der Vorrunde gegeneinander an, indem sie ihre Gedichte vor Publikum zum Besten geben. Meist erzählen diese Gedichte eine Geschichte, entweder sind sie lustig oder tragikomisch oder ernst. Das Reimen ist optional, dass das Gedicht von einem selbst verfasst wurde, ist jedoch Pflicht.
"Erlaubt ist alles, was mit Stimme und Körper möglich ist. Darüber hinaus steht es den Teilnehmenden frei, diejenigen Gegenstände auf der Bühne zu nutzen, die auch allen anderen Teilnehmenden zur Verfügung stehen [Z.B. der Zettel, auf dem ihr eigenes Gedicht draufsteht]. Kostüme und Requisiten sind in der Regel verboten, außer auf sogenannten Prop Slams." (WIKIPEDIA-link!)
Nach jedem Gedicht (oder zwei kurzen oder drei sehr kurzen Gedichten) , das innerhalb eines zuvor beschlossenen Zeitrahmens (diesmal: sechs Minuten Redezeit) gehalten wurde, kommt eine Jury ins Spiel.

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Die Jury besteht aus mehreren Menschen aus dem Publikum, die sich freiwillig für das Bewerten der Gedichte gemeldet hatte. Diesmal waren es fünf Jury-Mitglieder. Von 1 und 10 sind alle Punkte möglich, auch halbe Bewertungen wie "7,5" können vergeben werden.
Von den fünf Bewertungen wird jeweils die höchste und die niedrigste Bewertung eines Jurymitglieds gestrichen. Z.B.: 6,0 - 7,5 - 7,5 - 8,0 - 9,5. "6,0" und "9,5" wären weg vom Fenster. So wird ausgeschlossen, dass Fanbewertungen wie Hasstiraden das Gesamtergebnis beeinflussen.
Die Mehrheit entscheidet, maximal 30 Punkte waren letztes Mal zu erreichen. In diesem Fall: 7,5 + 7,5 + 8,0 = 23 Punkte.
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Die Besten aus der Vorrunde kommen weiter. Diese treten dann im Finale nochmals mit anderen Gedichten aus ihrem Repertoire an. Nach dem Vortragen der Finalisten wird letztendlich entschieden.
Ab hier kürt dann nicht mehr die Jury, sondern das gesamte Publikum den/die Sieger/in und die weiteren Plätze. Wodurch? Durch die Lautstärke ihres Klatschens. Der lauteste Applaus für einen Slammer oder eine Slammerin ist ausschlaggebend für den Sieg. Der Sieger oder die Siegerin gewinnt Sachpreise.
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Beim WÜ-Slam ist es üblich, dass der Kopf eines Eric-Cartman-Kostüms (s. South Park) durch das Publikum durchgeht und dieses kleine Sachen hereinwirft. Oft sind es ungewöhnliche / lustige Artikel" wie z.B. Kastanien oder ein Aktfotografie-Buch mit männlichen muskulösen Nackedeis für die Badewanne, wie es letzten Sonntag der Fall war. Dazu gab es dann noch eine Sektflasche und ein gesponsortes Buch von Multitalent Nick Cave. Und natürlich Ruhm.

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Wer hat gewonnen? Ein gewisser Moritz Neumeier: ein Nordlicht, aus Kiel stammend. Er behauptete sich im Finale gegen Andreas Weber und einen aus Nürnberg, dessen Namen ich jetzt gerade wieder vergessen habe.
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Alle seine Gedichte zielten durch Humor auf die Gemüter des Publikums, was nicht zwingend den Gewinn bedeutet. Doch waren seine lyrischen Abhandlungen clever geschrieben und wurden fast noch besser sprachlich und schauspielerisch umgesetzt. Es waren Auseinandersetzungen mit u.a. nervigen Menschen in Kaufhäusern, die im Erzähler ein Aggro-Gefühl auslösen und einem Eichhörnchen, das gegen Eicheln klauende Wildschweine vorgeht.
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Und wenn ich mich recht erinnere, ich bin mir aber nicht mehr so sicher, slammte Moritz Neumeier auch in seinem Finalgedicht aus der Perspektive eines Schülers einer Schule für geistig Behinderte, der selbst von anderen Gehandicapten getriezt wird. Dies wurde trotz der mitschwimmenden Ernsthaftigkeit sehr humorvoll und bissig umgesetzt - bis zum Twist am Ende. Sorry, falls ich Moritz Neumeier mit dem falschen Gedicht in Verbindung setzen sollte.
Ein sehr verdienter Sieg trotzdem für ihn!

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Der Anteil an ernsten bis tragischen Gedichten war dieses Mal höher als sonst. Mein Ex-Latinums-Leidensgenosse "Peemaster Grand" zum Beispiel, Spezialist in Sachen 'ernste Themen', hat mich beeindruckt.
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Es war eine Gedicht über einen Studenten, dessen Leben dank Kifferei langsam zugrunde geht. Ob die Geschichte auf wahren Tatsachen basiert? Er hatte es nicht bis ins Finale geschafft.

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Mein Lieblingsgedicht vom Oktober-Poetry-Slam war allerdings das etwas tragische, eher komische Poem von Anja Dyes, die seit Langem in Würzburg beim Poetry Slam mitmacht. Leider schied sie bereits in der Vorrunde aus - es gab wie bei Peemaster Grand nicht genug Punkte für sie.
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Sie hat bei mir mit ihrem Gedicht voll ins Schwarze getroffen. Es ging um drei Menschen in einer Bar.
Eine junge Frau, die reihenweise Flirts abbekommt, aber heimlich in ihren Chef verliebt ist. Es ging um einen etwas Älteren, der sich Mut antrinkt, um bei eben dieser Frau zu landen, aber einfach nur grabscht und ihr unangenehm ist.
Und es ging um einen Kunstgeschichts-Studenten, der zurückhaltender ist, aber ebenfalls Interesse an der jungen Frau hat und des Älteren Nebenbuhler ist. Die junge Frau aber versucht, den groben Älteren mit seinen Avancen höflich abzuwimmeln. Den Anderen lässt sie aber auch nicht so wirklich an sich heran.
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Es ist der schiere Wahnsinn, wie tiefgründig die Erzählerin in die Köpfe der drei Protagonisten eindringt. Anja Dyes hat es wirklich drauf mit der psychologischen Ausgestaltung des Gedichts, was an jenem Sonntag unerreicht blieb. Und doch war Sarkasmus zwischen den Zeilen zu...hören.
Mit neun Minuten war es zwar formal drei Minuten zu lang, jedoch hätte sie bis spät in die Nacht weitererzählen können, wenn's nach mir gegangen wäre.

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LINKS / QUELLEN
akw! Slam - die Myspace-Seite zum Poetry Slam in WÜ
[Heißt noch so, obwohl's unlängst in der Posthalle stattfindet]

The Christian Ritter Blog
Christian Ritter auf Myspace

Moritz Neumeier auf Myspace
[Der Gewinner des Oktober-Poetry-Slams 2009!]

Andreas Weber auf Myspace
[Finalist, nicht gewonnen]

Gute und informative WIKIPEDIA-Seite zu "Poetry Slam"

Mein erster Besuch beim Poetry Slam im Dezember 2008
Mein zweiter Besuch beim Poetry Slam im Mai 2009
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