Mittwoch, 3. November 2010

Nachtrag: Drei Wochen Schichtarbeit



Drei Wochen Ferienjob innerhalb der Sommersemesterferien klingt erst einmal nicht viel, und im Vergleich zu den temporären Jobs meiner KommilitonInnen und zu dauerhaften Berufen mancher meiner Freunde mag das vielleicht auch wie ein Kinderspiel anmuten. Aber...

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Ich arbeitete in der Firma, in der mein Vater seit über 20 Jahren schafft, zwischen dem 6. und dem 23. September 2010 als Aushilfsarbeiter. Dies ist aber nicht das erste, sondern das dritte Mal, dass ich das dort tat. Doch das mit der „Schicht“ ist erst das zweite Mal in meiner Nebenjobkarriere so vorgekommen. Dennoch fiel mir der Einstieg in die Arbeitszyklen und in die Materien nicht sonderlich schwer, da ich dies ja schon mal gemacht hatte.
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Kurz gesagt, sollte ich je nach Schicht zwischen zwei und im produktionstechnischen Idealfall vier Maschinen bedienen. Diese Roboter-Maschinen sollten Glasröhren akkurat zersägen. Die kürzeren Röhrchen wurden dann durch Brenner geschmolzen und ausgehöhlt. Mein Job, und quasi auch jener meines direkten Schichtkollegen und gleichzeitigen Aufpassers war es, die anfangs sehr langen Röhren (je nach Bedarf und Maschine unterschiedlich groß vom Durchmesser und dick- oder dünnwandig) einzulegen und das Zwischenprodukt, die fertig verarbeiteten Röhrchen, nach Einwandfreiheit zu überprüfen. Wenn sie gut waren, waren sie für die Weiterverarbeitung geeignet und wurden von mir in einen metallenen rostigen Korb gelegt.

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In den drei Wochen, also in 120 Stunden, war ich Schichtarbeiter und musste die Nachtschicht übernehmen. Es hieß also 5x8 Stunden Arbeit von 14 Uhr bis 22 Uhr. Nachtschicht bedeutet auch, dass man nur in den ersten zweiten Stunden die anderen KollegInnen der Firma zu Gesicht bekommen kann, ab 16 Uhr (Feierabend für ca. 95% der restlichen ArbeiterInnen) ist man fast nur noch zu dritt in der Fabrik (abgesehen von Putzhilfe, Inspektion durch Seniorchef oder Juniorchef).
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Ab der zweiten der drei Wochen beschlossen meine Nachtschicht-Kollegen und ich sogar, nicht acht, sondern 10 Stunden täglich werktags zu arbeiten, damit 4x10 Stunden zusammenkommen und der eklige Freitagjob demnach wegfällt. Der eine Freitag in der ersten Woche bis 10 Uhr abends war der härteste Arbeitstag überhaupt, weil das Fabrikgebäude bereits zum Schichtbeginn um 2 Uhr (der Freitag-Feierabend der regulären ArbeiterInnen beginnt bereits um 12 Uhr mittags) fast leer ist. Der „Freitag“ fiel dann zwar weg und ich konnte dann an dem Tag wieder nach Würzburg zur WG fahren, das Manko aber war halt dann, dass ich in Woche Nr. 2 und 3 dann gar bis um 0 Uhr nachts schuften musste. Schon hart. Das war aber im Vergleich zum abendlichen Arbeiten an einem Freitag jedoch das kleinere Übel. Trotz Einschlafprobleme um 2 Uhr nachts.

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Wie bereits erwähnt, arbeitet mein Vater seit einer halben Ewigkeit in diesem Betrieb. Er war es natürlich auch, der mich dazu überredete, dort zu arbeiten, indirekt war es aber auch die Firma, die halt Nachschub in Sachen Ferienjobbber brauchte. Weil mein Vater innerhalb des Betriebes trotz seines einfaches Jobs als Arbeiter hier wohl wegen seiner hilfsbereiten und offenen Art geschätzt wird, hatte ich eine Art Sohnemann-Bonus. Nicht im Sinne der Leistung, sondern im charakterlichen Sinne. So was wie: „Ach, das ist der Sohn von dem, dann muss der bestimmt auch in Ordnung sein“. Beziehungsweise dachte ich, dass ich so einen Bonus hätte und dass mir das weiterhelfen würde, was den Umgang mit mir seitens den anderen KollegInnen anging. Bestärkt auch dadurch, dass ich in der Firma als Ferienarbeiter bereits fast alle möglichen einfach zu bedienenden Maschinen betätigt habe, oft hier schon gearbeitet hatte. Doch ich hatte mich getäuscht und es waren nicht alle nett zu mir.
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Doch wenn Ihr jetzt denkt, dass ich meine Vorgesetzten und eben auch die meines Vaters nun in die Pfanne hauen würde, der irrt. Denn sowohl der spritzige Juniorchef als auch der nicht immer als handzahm und umgänglich geltende Seniorchef waren immer zuvorkommend, ebenso der Verantwortliche für die Produktion, und auch der Verantwortliche für Personal und Buchhaltung. Das war aber auch bei meinen zwei vorigen Ferienjobeinsätzen im Jahre 2006 und 2008 der Fall.
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Nein, es waren eher manche KollegInnen, mit denen man des Betätigungsfeldes wegen innerhalb der Firma eher wenig zu tun hat, die misstrauisch, kühl oder fast schon grantig wirkten, obwohl ich ihnen nichts getan hatte. Das merkt man halt oft, wenn man sich im Vorbeigehen grüßt. Dieses Grüßen ist ja gerade in solchen Mittelstands-Betrieben Gang und Gebe, fast schon ein Zwang. Früher musste ich, weil ich auch schon mal um 6.30 Uhr (wie mein Vater sonst immer) anfangen musste, auch tausende Male „Morgen“ oder „Mahlzeit“ von mir geben. Die Mehrheit der KollegInnen war zwar in Sachen Grußfeuerwerke – wohl doch wegen des Bekanntheitsgrades und der Verwandtschaft mit meinem Vater – mir wohlgesinnt, ein paar spezielle Personen reagierten jedoch leider entweder abweisend oder gar nicht auf mein „Hallo“. Aber vielleicht bildete ich mir auch nur ein, dass die Leute irgendwie ein Problem mit mir hätten. Vielleicht lag dieses komische Verhalten ihrerseits nur darin, dass es einfach ihr Charakter ist. Oder sie waren einfach von ihrer Arbeit gestresst, schließlich hatten die allermeisten während meines jeweiligen Antreffens bereits 8 Stunden gearbeitet.
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Da gab es zum Beispiel einen Typen, der für die sogenannte Werkstatt zuständig war und anscheinend dort eine hohe Position genießt, wahrscheinlich sogar vom Rang her dem Produktionschef ähnlich ist. Doch im Vergleich zu dem oder anderen hohen Tieren verhielt dieser sich gar nicht bodenständig oder sympathisch-kompetent. Im Gegenteil. Wenn man ihn so während seiner Arbeit, also irgendwann zwischen 14 und 16 Uhr vorbeigehen sieht, kann man seine Nase förmlich die Kumuluswolken berühren sehen. Mit anderen Worten: er war erstaunlich arrogant und unsympathisch. Doch gerade dieses Bad-Boy-Image faszinierte mich seltsamerweise. Der Snob war ja nicht sonderlich hässlich, zwar kantig im Gesicht, aber ein klein wenig mehr als nur durchschnittlich schön. Ca. 35 Jahre alt, eher groß, dunkelbraun-haarig und besaß schöne grüne Augen, bei diesem Ferienjobeinsatz diesmal eingerahmt in eine neumodische Brille. Ansonsten wie jeder andere auch das Firmen-Poloshirt in dunklem Blau mit Firmen-Logo, dunkle Jeans, typische solide Werkstattschuhe. Irgendwie hatte ich halt immer die Hoffnung gehabt, dass er mir mal einfach so „Hallo“ sagt und ich ihm genauso wieder antworte und dann im Inneren eine Art Genugtuung empfand. Doch zu solch einer Situation kam es nie.
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Ganz anders der Juniorchef, der auch der Vorgesetzte des Werkstatt-Snobs sein dürfte, und der ebenfalls so um die 35 Jahre alt sein dürfte (schätzungsweise), aber von seiner Persönlichkeit und seinem Auftreten her wie unverbrauchte 25 Jahre wirkt. Man würde sich das ja nur ungern zu sagen trauen, aber für einen Chef sieht er unfassbar knuffig aus. Er ist von der Körpergröße her halt so ähnlich klein wie ich, nicht schlank, aber auch nicht pummelig. Seine braunen Knopfaugen zu seinem rundlichen Gesicht lassen seine leichten Geheimratsecken schnell vergessen. Und dass er meist eine schwarze Anzughose und ein weißes Hemd trägt, also recht formell wirkt, mehr als dessen Vater, der Seniorchef, lassen ihn erst recht interessant wirken. Und sein Charme und seine Lockerheit sind die Krönung des Ganzen. Aber keine Sorge, er ist auch wirklich sehr kompetent und sicherlich durchsetzungsfähig, er lässt nur nicht so sehr das typisch Autoritäre einer Stellung wie seiner innerhalb des Betriebes heraushängen, was natürlich eine große Hilfe für alle in der Firma ist.

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Trotz des lieben Chefs war ich nach den drei Wochen sehr froh über die Beendigung des Ferienjobs. Ich hätte vielleicht auch früher mit dem Jobben anfangen können, dann hätte ich auch mehr Geld verdienen können. Doch ich hatte auch gewisse Sachen für die Uni erledigen müssen. Ich konnte deshalb auch nur drei Wochen arbeiten, weil ich die paar verbliebenen Tage bis zum Ende September Zeit für den Auszug aus der Würzburger-Altstadt-WG benötigte, in der ich ja nur zur Zwischenmiete gewohnt hatte.
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